Ein Informations-System, das nicht laut nach Aufmerksamkeit schreit, aber ankommt: Ambient Information Design ermöglicht eine neue Form der Informationsvermittlung im öffentlichen Raum. Diese Case Study zeigt, wie digitale Informationen durch Licht, Farbe und Raumwirkung in Zügen so gestaltet werden können, dass sie intuitiv, barrierearm und sicher wirken – gerade dann, wenn die Aufmerksamkeit der Fahrgäste begrenzt ist.
Ambient Information Design ist mehr als Interface Design im Raum – es ist ein Prinzip, das der zunehmenden Informationsdichte im öffentlichen Raum eine menschenzentrierte Alternative entgegensetzt. Gute Ambient Systeme sind nicht laut oder aufdringlich, sondern leiten, strukturieren und beruhigen. Sie agieren dezent, aber effizient.
Im Gegensatz zu klassischen Benutzeroberflächen, die aktive Interaktion und volle Aufmerksamkeit erfordern, zielt Ambient Information darauf ab, Information in die Umgebung zu integrieren. Sie nutzt häufig Licht, Farbe, Bewegung oder Ton, um Zustände, Veränderungen oder Orientierungen subtil zu vermitteln.
Ambient Information wird besonders in mobilen Kontexten relevant, in denen sich Menschen in Bewegung befinden, Situationen sich dynamisch verändern und Informationsbedürfnisse spontan entstehen. In der Mobilität geht es um Orientierung, Sicherheit und reibungslose Abläufe. Ambient Information ergänzt dabei klassische Anzeigeelemente und reduziert Informationsstress in entscheidenden Momenten der Reise.
Fahrgastinformationssysteme (FIS) im Zug begleiten Reisende vom Betreten bis zum Verlassen des Zugs. Sie dienen dazu, relevante Informationen bereitzustellen: zur Linienführung, zu Anschlussmöglichkeiten, zur Belegung, zur Ausstiegsseite oder zu Störungen – in Echtzeit und im ständigen Wandel, abhängig von Fahrverlauf, Verkehrssituation und Nutzerkontext.
Der Informationsbedarf ist dabei nicht konstant, sondern verändert sich je nach Fahrphase. Die Anzeige muss sich daher dynamisch anpassen – an den Fahrtverlauf, Stationen, Ereignisse und Nutzerströme. Das ist auch aus Gründen der Fahrgastsicherheit entscheidend.
Moderne FIS nutzen daher UX/UI-Prinzipien, um diese Informationen zielgerichtet, lesbar und intuitiv darzustellen – etwa durch dynamische Türanzeigen, animierte Richtungspfeile oder Lichtsignale, die die Fahrtrichtung anzeigen.
Ein FIS, das nach Prinzipien des Ambient Information Designs funktioniert, geht noch einen Schritt weiter; es adressiert unterschiedliche Stadien der Aufmerksamkeit:
Die Gestaltung ambienter Informationssysteme im Zug erfordert ein präzises Zusammenspiel von UX/UI Design und Produktdesign. Bevor die eigentliche visuelle, interaktive und kognitive Gestaltung des Informationsdesigns beginnt, ist die Betrachtung des Produktdesigns zentral: Es fungiert als physische Schnittstelle zwischen Information, Architektur und Nutzer*in. Einfach ausgedrückt: als Bindeglied zwischen Raum und Information.
Dabei geht es um die konkrete Ausgestaltung der Trägerelemente – etwa Displays, Lichtleisten oder projektive Oberflächen – sowie deren räumliche Positionierung, Materialität und Lichtwirkung. Ein durchdachtes Design berücksichtigt Ergonomie (Raum, Blick, Bewegung), Sichtachsen und die architektonischen Gegebenheiten der einzelnen Waggons.
Diese interdisziplinäre Perspektive ist eine wichtige Voraussetzung für alle weiteren Schritte im Designprozess.
Ambient Information Design erfordert einen Designprozess, der nicht starr ist, sondern sich an reale Bedingungen und Anforderungen im Projekt anpasst. Ein dynamisches Umfeld wie der öffentliche Verkehr ist durch wechselnde Situationen, eine heterogene Nutzergruppe und komplexe technische Systeme geprägt. Die Gestaltung für Informationssysteme muss daher flexibel, beobachtend und iterativ gedacht werden. Jede Phase reagiert auf konkrete Erkenntnisse und bringt Raum, Gestaltung, Technik und Nutzerbedürfnisse in ein funktionierendes Zusammenspiel.
In dieser frühen Phase werden alle grundlegenden Rahmenbedingungen des Systems erhoben und dokumentiert. Dazu zählen auch Normen und Richtlinien sowie Prinzipien wie Hick’s Law oder Miller’s Law. Technische Anforderungen werden ebenfalls aufgenommen. Zentral sind außerdem Sichtfeldanalysen, um Position, Größe und Ausrichtung der Informationsmittel im Raum zu prüfen. Auch architektonische Besonderheiten einzelner Wagentypen – z. B. Deckenhöhen, Türpositionen, Fensterflächen oder Beleuchtungseinflüsse – werden berücksichtigt. Ziel ist es, ein umfassendes Verständnis der räumlichen, technischen und normativen Ausgangslage zu gewinnen, um darauf aufbauend funktionale und sinnvolle Informationsarchitekturen zu entwickeln.
Die darauffolgende Ambient Analyse sammelt alle äußeren Einflussfaktoren des Informationssystems, wie z.B. örtliche, zeitliche, geografische oder betriebliche Einflüsse.
Gerade im öffentlichen Verkehr hat diese Phase eine besondere Relevanz: Aufgrund der stark heterogenen Zielgruppe ist es essenziell, das Informationssystem so zu gestalten, dass es universell funktioniert – unabhängig von Alter, Sprache oder Reiseintention.
Deshalb rückt in dieser frühen Phase nicht die Definition einzelner Personas, sondern das Verständnis des ambienten Gesamtkontexts in den Mittelpunkt.
Aus den in der Ambient Analyse erhobenen Faktoren werden typische Szenarien abgeleitet. Hier geht es insbesondere um die Vielfalt realistischer Situationen im Zug. Auch kritische Momente wie Zugverspätungen, hohes Fahrgastaufkommen oder kurzfristige Gleiswechsel werden mitgedacht. Die so entwickelten Situationen dienen als Grundlage für eine differenzierte und kontextgerechte Gestaltung des Informationssystems – mit Fokus auf intuitive Orientierung und reduzierte kognitive Belastung.
In den Use Cases werden bereits die wichtigsten Anwendungsfälle je Fahrphase konkretisiert und definiert, welche Information wann und wie verfügbar gemacht werden müssen – mit Blick auf reale Situationen und Anforderungen, wie z.B. einem barrierefreien Ausstieg oder der Sicherheit beim Einsteigen mit Gepäck oder Fahrrad.
Inhalte werden priorisiert und strukturiert: Was muss aus gesetzlichen oder aus Gründen der Betriebssicherheit und Interoperabilität (TSI) permanent sichtbar sein? Was ist kontextabhängig? Welche Darstellungsformen eignen sich wofür (z.B. farblich, symbolisch, textbasiert)? Wie wirkt sich die unmittelbare Umgebung (z.B. Lichteinflüsse oder Position im Raum) auf die Darstellung aus?
Bereits in dieser Phase wird der kontinuierliche Bezug zum tatsächlichen Zuglayout mitgedacht. Im Designprozess dient das Layoutmodell in Figma als zentrale Referenz. Es bildet das Fahrzeug als strukturierte Umgebung ab und erlaubt es dem Designteam, Gestaltungsideen direkt im räumlichen Kontext zu evaluieren. Diese zugängliche Testumgebung ermöglicht schnelles Feedback zur Sichtbarkeit, Platzierung und Wirkung der Informationsarchitektur.
In dieser Phase werden die zuvor definierten Inhalte gestaltet. Dabei geht es nicht nur um die Wahl von Farben, Schriftarten oder Icons, sondern vor allem um die Erlebbarkeit von Information im Raum. Lesbarkeit muss auch in Bewegung, aus unterschiedlichen Blickwinkeln und unter variierenden Lichtbedingungen gewährleistet sein. Deshalb werden Gestaltungselemente wie Kontrastverhältnisse, Lichtführung, Typografie-Größen und Piktogramme gezielt auf ergonomische Standards abgestimmt.
Wie gut funktioniert das System unter Bewegung, Lichtveränderung, Lärm, mit echten Fahrgästen? In unserem Fall erfolgte die erste Testphase bereits frühzeitig in einer simulierten Umgebung als VR-basiertes MVP (Minimum Viable Product). Das ermöglichte frühes Feedback zu Lesbarkeit, Sichtbarkeit und Relevanz – bevor physische Prototypen gebaut werden. Erkenntnisse aus den VR-Tests fließen somit direkt in die iterative Optimierung ein.
Im realen Fahrzeugumfeld wird getestet: Wie gut funktioniert das System unter Bewegung, Lichtveränderung, Lärm, mit echten Fahrgästen? Feedback fließt in Optimierung und finale Umsetzung ein.
Ein durchdachtes Fahrgastinformationssystem…
Wir bei PESCHKE haben in-house UX/UI Designer, Produktdesigner, 3D Artists sowie technisches Knowhow und können so den gesamten Gestaltungsprozess für Ambient-Design-Projekte abdecken. Mit unserem Skillset und Erfahrung aus Kundenprojekten sind wir ein kompetenter Partner für besonders komplexe und anspruchsvolle Projekte im Bereich Fahrgastinformationssysteme.